Robotic-assistierte Schlüsselloch-OP

Siegen, 26.09.2019

Im März 2017 wurde im St. Marien-Krankenhaus der Operationsroboter „Senhance“ vorgestellt; damals der erste Roboter dieser Art in Deutschland. Ziel war es schon vor 2 ½ Jahren, Siegen einerseits als Ausbildungszentrum für die neue Technologie und andererseits als Impulsgeber für die weitere Entwicklung der Robotic-assistierten Chirurgie zu etablieren.

Mehrere hundert Eingriffe konnten seitdem erfolgreich durchgeführt werden, und insbesondere in der Fachwelt wurde das von Siegen aus gestartete Projekt überaus positiv aufgenommen. Fast 200 Chirurgen von circa 50 nationalen und internationalen Kliniken, davon fast 30 ausländische Kliniken und über 25 Universitätskliniken – alleine acht Universitäts- und Großkliniken aus dem „Mutterland der Digitalisierung“, den USA – waren inzwischen zu Gast im Ausbildungszentrum für robotische Chirurgie im St. Marien-Krankenhaus. Anfang dieses Jahres wurden auch die ersten Live-Operationen aus dem Operationssaal im St. Marien-Krankenhaus in die Vereinigten Staaten übertragen.

Nun ist dem Team um Prof. (Saitama Med. Univ.) Dr. med. Dietmar Stephan, Leiter der Abteilung für Minimal-invasive und robotische Chirurgie, ein weiterer Durchbruch gelungen. Erstmalig weltweit wurden in Siegen sog. artikulierende, d.h. abwinkelbare, Instrumente eingesetzt,  die  gerade einmal  fünf Millimeter Durchmesser aufweisen. „Der Handlungsspielraum des Operateurs wird deutlich größer, wenn die Instrumente an ihrer Spitze gelenkig sind. “, erklärt Prof. Stephan

„In der ‚normalen‘ minimal-invasiven Chirurgie können keine abwinkelbaren Instrumente eingesetzt werden. Das Fehlen solcher Instrumente ist ein Nachteil gegenüber der Robotic-assistierten Schlüsselloch–Chirurgie. Dem Ziel der Schlüssellochchirurgie, möglichst kleine Einschnitte mit optimalen Operationsbedingungen zu verknüpfen, sind wir wieder ein Stück näher gekommen, erläutert Prof. Frank Willeke. Während in anderen Systemen die kleinsten Instrumente 8 mm Durchmesser aufweisen, werden schon Eingriffe mit 3 mm Instrumenten im St. Marien-Krankenhaus durchgeführt. Aktuell sind diese Instrumente noch nicht abwinkelbar, aber wir sehen gespannt der weiteren Entwicklung entgegen, ergänzt Prof. Stephan.

Der Begriff Schlüssellochchirurgie, der angesichts etwa fast ein Zentimeter großer Einschnitte in der bisher üblichen Robotic assistierter Chirurgie inzwischen mehr Euphemismus denn Realität sei, fände jetzt nun endlich eine Entsprechung. „Was vor 20 Jahren noch als Schlüsselloch-OP üblich war, ist heute schon in der analogen, normalen minimal invasiven OP nicht mehr Standard. Dennoch war in der bisherigen Robotic-assistierten Chirurgie bei den abwinkelbaren Instrumenten bei 8 mm Durchmesser das Ende der Entwicklung. So musste der Vorteil eines abwinkelbaren Instrumentes mit einem etwas größeren Schnitt als in der normalen Operation üblich „erkauft“ werden. In der Robotic war es fast so, als hätte es die letzte Jahre nicht gegeben“, sagt Prof. Stephan. Durch feinere Schnitte verlaufe der Heilungsprozess noch schneller. Und gefragt auf die weitere Entwicklung deutet er an, dass dieser Innovationssprung auch im Bereich der Instrumente mit drei Millimeter Durchmesser denkbar sei: „Wir arbeiten schon seit einiger Zeit auch mit geraden 3 mm Instrumenten in der Robotic–assistierten Chirurgie. Diese Instrumente sind allerdings noch nicht abwinkelbar.“

Hintergrundinformationen

Die Chirurgische Klinik des St. Marien-Krankenhaus ist die Klinik mit der weltweit größten Erfahrung mit dem sog. Senhance System. Es wurden seit über zwei Jahren  über 400 Robotic-Operationen durchgeführt. Bei dem System sitzt der Operateur mit 3D-Brille an einer Steuerkonsole – in leichter Entfernung vom Operationstisch – und bedient dessen robotischen Instrumentenarme. Die hochauflösenden Bilder in 6-facher Vergrößerung aus dem Bauchraum sind dabei jederzeit stabil und übersichtlich ohne „Wackeln“. Auch der Bildausschnitt wird vom Operateur selbst bestimmt. Ein sogenanntes Eye-Tracking-System verfolgt seine Augenbewegungen und steuert damit die Kamera, die früher ein weiterer Mediziner per mündlicher Ansage steuern musste. Die Roboter-Arme sind für den Operateur in ergonomisch geeigneter Position leicht zu bedienen. Kein (leichtes) Zittern der Hand beeinträchtigt sein Arbeiten. So sind auch präzisere Schnitte möglich.

„Das System ermöglicht es dem Operateur, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Er ist, anders als bei einem klassischen minimal-invasiven Eingriff, nicht durch eine unangenehme, einschränkende Haltung am Operations-Tisch beeinträchtigt“, so Prof. Stephan. Die Expertise der Ärzte der Chirurgischen Klinik um Prof. Frank Willeke und Prof. Dietmar Stephan ist inzwischen insbesondere in den USA gefragt. Prof. Stephan ist regelmäßig an verschiedenen Universitäten in den USA zu Gast, um   US – Chirurgen in der Robotic – assistierten Chirurgie mit dem Senhance System auszubilden und zu trainieren.