„Die Einlösung der Actie übernimmt der große Zahlmeister des Himmels und der Erde“, so steht es auf der Gründungsaktie der Keimzelle der Marien Gesellschaft Siegen, dem St. Marien-Krankenhaus, welche vor 160 Jahren in einer Stückzahl von 15.000 ausgegeben wurde. Die Aktien konnten für fünf Silbergroschen erworben werden.
Im Jahr 1857 hat es in Siegen große Diskussionen gegeben, ob es eines konfessionellen Krankenhauses bedarf. Einig waren sich die Schreiber vom Intelligenzblatt (heute Siegener Zeitung) nur über die Notwendigkeit eines Krankenhauses. Ein Schreiber hob jedoch die Bedeutung konfessioneller Krankenhäuser hervor und verwies auf Beispiele in Bonn, Krefeld und Berlin, wo die Glaubensgemeinden eigene Krankenhäuser unterhielten. Gegnern von konfessionellen Krankenhäusern warf er vor, dass selbst in kommunalen Einrichtungen "allein schon aus ökonomischen Rücksichten" auf Ordensschwestern zurückgegriffen werden müsse, und dabei gelte es zu wählen zwischen katholischen oder evangelischen Schwestern. Deshalb finde er es zweckmäßig und den "Frieden zwischen den Confessionen fördernd", wenn jede Glaubenspartei ihr eigenes Krankenhaus errichte.
Nach diesem Grundsatz wurde dann die Diskussion in der Folgezeit geführt. Und selbst nach der Errichtung des Marienhospitals wurde von evangelischer Seite darauf gedrängt, eine eigene Krankenanstalt zu gründen. Der damalige Superintendent Kreutz hat hierzu im Jahr 1862 einiges gesagt. So müsse die evangelische Kirchengemeinde ein eigenes Krankenhaus besitzen, um eine "Musteranstalt christlicher Krankenpflege" vorzuweisen, denn das "Geheimniß der dienenden Liebe liegt im Wörtlein 'evangelisch'" – vielleicht ein kleiner Fingerzeig auf die Rivalität, die auch 160 Jahre später ab und zu ihren Niederschlag in der „Siegener“ findet.
Viel Verständnis gab es damals (wie heute) für diese Diskussion in der Öffentlichkeit nicht, verursachte dies doch doppelte Bau- und Unterhaltskosten. Vor diesem Hintergrund gestaltete sich die Finanzierung der Krankenhäuser auf lokaler Ebene als besonders schwierig. Die katholische Gemeinde spendete „Drei Tausend Thaler auf den Altar des Herrn zur Realisierung dieses edlen Unternehmens“ und sah „somit ihre Quellen erschöpft“, was die Gründer des St. Marien-Krankenhauses Siegen zu dem originellen Weg der Aktienausgabe in ganz Westfalen veranlasste. Allerdings sollten die Käufer keine weltlichen Ansprüche damit erwerben. „Die Dividende zahlt Christus der Herr, dessen Kinder in dem neuen Krankenhause verpflegt und geheilt werden sollen“, hieß es in dem Beschluss des Verwaltungsrates, der auf der Aktie dokumentiert wurde. Und weiter wurde vermerkt: „Die Zinsen empfangen die Actionäre alljährlich am 20. Febr. durch das für alle Actionäre darzubringende hl. Meßopfer“; dies wird auch am 20. Februar 2018 so sein. Der letzte Punkt des Verwaltungsrats-Beschlusses unter Leitung von Pfarrer Adam Krengel lautete: „Die Einlösung der Actie übernimmt der große Zahlmeister des Himmels und der Erde, der jedem Actionäre nach dem Maße seiner Betheiligung am Actien-Kapitale vergelten wird.“
Insgesamt gab der Verwaltungsrat 15.000 Aktien heraus, die durch bekannte Geistliche in ganz Westfalen untergebracht wurden. Bereits 1860 konnte für 2500 Taler ein Haus gekauft werden, das ein Jahr später das provisorische Marienhospital aufnahm. Die Leitung übernahmen zwei Schwestern der Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vincenz von Paul zu Paderborn; bis zum Jahr 2010 prägten sie das Krankenhaus entscheidend mit. Schnell wurde die 11-Betten-Einrichtung zu klein. Deshalb legte man 1868 den Grundstein für eine neue Krankenanstalt, die durch eine Lotterie finanziert wurde. 1869 bezog man den Neubau am Kampen in Siegen. Dort befindet sich das Krankenhaus noch heute.
Aufgrund des regen Zuspruches erfolgten bauliche Erweiterungen in den Jahren 1905/1906, 1914/1918 sowie 1928/1930. Mit 285 Betten war das St. Marien-Krankenhaus bereits Anfang der 30er Jahre das größte und modernste im weiteren Umkreis. Leider überstand das St. Marien-Krankenhaus den 2. Weltkrieg wie so viele Häuser in Siegen nicht unbeschadet. Konnte am 15.12.1944 noch die letzte Rate der letzten Hypothek zurückgezahlt werden, folgte am Tag darauf die völlige Zerstörung durch einen Bombenangriff. In den Annalen des Krankenhauses heißt es hierzu: „Schuldenfreier Trümmerhaufen“. Die Behandlung der Patienten erfolgte nun provisorisch in den Luftschutzbunkern.
Seit dem Ende des 2. Weltkrieges erfuhr das St. Marien-Krankenhaus zahlreiche bauliche Erweiterungen. In den ersten zehn Jahren nach Ende des Krieges erfolgte der Wiederaufbau auf den alten Fundamenten. In den 60er und 70er Jahren wurden das Bettenhaus, der Behandlungstrakt sowie der 12-geschossige Verkehrsturm erbaut. Im Jahr 2001 wurde ein neuer Anbau errichtet und im Jahr 2004 der bestehende „Altbau“ vollständig erweitert. Die Neustrukturierung und Erweiterung des Untersuchungs- und Behandlungsbereichs wurde im Jahr 2006 begonnen – ein neuer Zentral-OP mit acht Sälen wurde 2008 fertig gestellt. Es folgen 2013 die Sanierung der anderen Gebäudeteile, 2014 der Neubau des Ambulanten Zentrums an der Sandstraße, 2021 die Errichtung eines Hybrid-OPs und, im Jahr 2022, der Bau einer neuen Intensivstation. In Planung ist ein weiteres Ambulantes Zentrum an der Nordstraße.
Parallel zu der baulichen Entwicklung verlief der Ausbau der medizinischen und pflegerischen Schwerpunkte und Kompetenzen. Im Rahmen medizinischen Abteilungen ist dies in den letzten Jahren insbesondere in den Bereichen der Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der Skelett-Erkrankungen, der Chirurgie und der Tumorerkrankungen geschehen; Zentren wie das Onkologische Zentrum, das Herz- und Gefäßzentrum oder das Gelenkzentrum wurden in den letzten Jahren zu regionalen Größen entwickelt. Ersteres wurde 2022 von der Bezirksregierung Arnsberg im Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen als medizinisches Spitzenzentrum für Onkologie mit überregionalen besonderen Aufgaben ausgewiesen. Auch bei Themen wie „Robotic“ zeigt man sich am Kampen gerne als Pionier; Zusammenarbeit sucht man sich bei der hiesigen Universität.
Im Jahr 1988 wurde das St. Marien-Krankenhaus Siegen als erstes Krankenhaus im Erzbistum Paderborn in die Rechtsform einer GmbH umgewandelt, um neben medizinischen Innovationen auch modernen und wirtschaftlicheren Unternehmensstrukturen Raum zu bieten. Als konsequente Weiterentwicklung hin zu einem ganzheitlichen Anbieter von Gesundheits- und Pflegeleistungen ist daher auch die Gründung der GSS Gesundheits-Service Siegen gem. GmbH und die Bildung des Unternehmensverbundes im Jahr 1996 zu sehen. Im Jahr 2005 wurde die MVZ Medizinisches Versorgungszentrum am St. Marien-Krankenhaus Siegen GmbH gegründet.
Im Jahr 2018 erfolgte mit der Umfirmierung und dem Umbau zur Marien Gesellschaft Siegen die größte organisatorische Änderung seit Bestehen der GmbH. Unter dem Dach der Marien Gesellschaft finden sich seitdem sechs Sparten: Marien Kliniken, Marien Pflege, Marien Ambulant, Marien Aktiv, Marien Hospiz und Marien Service. Ein in Kooperation betriebenes Ausbildungsinstitut, das BIGS, wurde 2018 gegründet; dort werden über 450 Auszubildende für Pflegeberufe vorbereitet. Seit 2019 ergänzt der Klinikservice Siegerland, ebenfalls in Kooperation betrieben, das umfangreiche Portfolio des Unterenhmens.
Die Marien Gesellschaft Siegen ist 2024 dem GFO-Verbund beigetreten. Die Aufsichtsgremien und Gesellschafter beider Trägergesellschaften haben dem entsprechenden Vertrag zugestimmt. Er sieht die Übernahme der Mehrheit der Gesellschafteranteile an der Marien Gesellschaft Siegen durch die GFO vor.
Heute, über 160 Jahre nach der Aktienausgabe durch Pfarrer Adam Krengel, stellt das integrierte Gesundheitsunternehmen, das sich stetig weiterentwickelte, neben der Versorgung der Bevölkerung auch einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor und mit circa 2.400 Mitarbeitenden einen der größten Arbeitgeber für die Stadt und die Region dar und leistet „Mehr für Menschen“.