Die Marien Gesellschaft Siegen zeigt ab dem 23. Januar bis zum 24. Februar 2023 im Ambulanten Zentrum Albertus Magnus (Sandstr. 140-144 in Siegen) Werke der Ukrainischen Künstlerin Olena Ukraintseva. Die Ausstellung trägt den Titel „Geben Sie nicht den Standort preis!“ und ist montags bis freitags während der Öffnungszeiten des Zentrums zu sehen.
Geboren und aufgewachsen ist Olena Ukraintseva im Südosten der Ukraine, in der Asowschen Steppe, am Ufer des Asowschen Meeres. Ihre Geschichte ist recht gewöhnlich: „Ich bin zu Schule gegangen, habe dann ein Studium abgeschlossen und eine ‚normale‘ Stelle als Ökonomin angetreten. Dann kamen Hochzeit und Kinder“, berichtet die Künstlerin. Der Traum von der Malerei blieb währenddessen ein Traum. Doch vor zehn Jahren schrieb sie sich in die Charkiwer Design- und Kunstakademie ein. Nach und nach nahm Ukraintseva an Ausstellungen teil, organisierte schließlich selbst Kunstprojekte und trat dem Nationalen Künstlerverband der Ukraine bei. „Inspiriert hat mich meine Heimatstadt Mariupol – brutal und industriell, aber mit einer langen Geschichte, schöner Natur und geschützten Gebieten.“ Dann kam der Krieg: „Mein Leben, meine ganze Lebensweise wurde in den 25 Tagen, die ich in der Stadt unter Beschuss und Bombardierung verbrachte, zerstört. Die gemütliche, gesellige, laute Stadt gab es nicht mehr – stattdessen zerstörte Läden und Wohnhäuser, die mehrere Tage brannten, Tag und Nacht leere Straßen, beängstigender Lärm von Flugzeugen und ständige Explosionen, fern und nah. Wir flohen.“
Während der Flucht konnte Olena Ukraintseva nicht malen. „Wir hatten ja nicht einmal grundlegende Dinge wie Strom, Gas, Netz, Internet, Wasser. Es war einfach zu kalt zum Malen – die Temperatur im Haus erreichte gerade einmal fünf Grad. Nachts bedeckte eine Eisschicht das Wasser in den Tassen“, erinnert sie sich. Daher schrieb sie ihre Ideen für Gemälde auf und zeichnete mit einem Bleistift Skizzen. „Ich fing erst wieder an zu malen, als ich in Deutschland war. Mit Acrylfarben malte ich alles, was während des Krieges in Mariupol passiert ist. Acryl ist für mich ein totes, lebloses Material. Wie auch das Leben in einer blockierten Stadt - ohne Geschmack, ohne Farbe, ohne Geruch, in ständiger Erwartung, wann es auf die eine oder andere Weise enden wird.“ Gemälde über die Ukraine selbst malt sie hingegen mit Öl, weil es etwas Lebendiges ist, wie das Material.
Die in Siegen gezeigte Serie trägt den Titel „Geben Sie nicht den Standort preis!“; in den Bildern ist eine Verpixelung angedeutet. Der Hintergrund hierzu liegt im Kriegsgeschehen selbst. Jeden Tag gibt es an verschiedenen Orten des Landes Explosionen. Das macht Angst, denn Freunde, Bekannte, Verwandte sind in der ganzen Ukraine verstreut und wenn es in ihrer Nähe einen Einschlag gibt, möchte man wissen, wie es ihnen geht. Fotos sind da ein Mittel. Doch auf Fotos frei zugänglicher Quellen ist es unmöglich, etwas vom Umfeld zu erkennen. Denn alle Merkmale, die zur Bestimmung des Standorts und zur Vorbereitung des nächsten Angriffs verwendet werden können, sind hinter einem „Tarnnetz“ aus Pixeln verborgen. Nur anhand der Bildbeschriftung können wir erkennen, welcher Teil des Landes im Bild ist.
Die Ausstellung im Ambulanzen Zentrum ist Teil der Ausstellungsreihe „MediArt“ in der seit über 20 Jahren Werke zeitgenössischer Künstler ihre Werke in einem medizinischen Umfeld präsentieren. „Wir freuen uns, dass wir mit den Gemälden Olena Ukraintseva eine sehr ausdrucksstarke Ausstellung zeigen können“, sagt Ausstellungsorganisator Dr. Christian Stoffers von der Marien Gesellschaft Siegen. „Hinter den Pixeln verbirgt sich die eigentliche Schönheit der Ukraine und damit das schmerzliche Gefühl für eine zerstörte Heimat.“ Bei MediArt haben sich 2001, unterstützt durch die UNESCO, zahlreiche Einrichtungen des Gesundheitswesens zusammengeschlossen, um die Kunst und Kultur Innerhalb medizinischer Einrichtungen zu fördern.